Einsamkeit und Sex und Mitleid

Episoden-Drama über die Liebe in neurotischen Zeiten. Clever konstruiert, mit visuellem Einfallsreichtum inszeniert sowie einem schillernden Figurenkarussell. Umwerfend komisch, unheimlich traurig: Ein funkelnder Diamant des Arthaus

Die Lage der Nation in Sachen Liebe, könnte dieses kuriose Kaleidoskop überschrieben sein. Flüsternde Erzählerstimmen geben eine Einführung in das famose Figurenkabinett. Da wäre der Thomas (Jan Henrik Stahlberg), ein Polizist mit latentem Rassismus-Problem. „Hör mir mal zu, du kleiner Bimbo!“, raunzt er ein Kind im Zug an. Dessen entsetzte Mutter beschimpft er als „Affenmutti“. Wenig später wird er einen jungen Araber provozieren und angreifen. Thomas mimt gern den Macho vor seiner verschüchterten Kollegin Carla (Friederike Kempter), mehr als ein gemeinsamer Sauna-Besuch läuft jedoch nicht. Supermarktleiter Uwe (Peter Schneider) geht die Sache pragmatischer an, er macht Kontakte übers Internet, wie zum Beispiel mit Künstlerin Janine (Katja Bürkle). Dem blasierten Smalltalk über Gin-Sorten an der coolen Bar folgt die schnelle Nummer auf dem Behinderten-Klo. Da ist Uwes Ex beim Sex schon wählerischer. Sie bucht Callboy Vincent (Eugen Bauder) mit höchst detaillierten Vorstellungen. Bei der Teenager-Liebe knirscht es gleichfalls im Gefühlsgebälk. Dem sensiblen Johannes (Aaron Hilmer) macht eine Sekte die Hölle heiß, als er erste Mädchenträume beichtet. Sein Objekt der Begierde Swentja (Lilly Wiedemann), muss sich derweil den forschen Mahmud (Hussein Eliraqui) vom Hals halten...

So kompliziert und abstrus diese „Wer liebt wen, warum und wie?“-Geschichten klingen mögen, so lässig und verspielt sind sie miteinander verwoben. Immer wieder gibt es überraschende Wendungen sowie neue Verknüpfungspunkte, die für verblüffende Wow-Effekte sorgen. Die klassischen Beziehungsthemen wie die Suche nach Liebe, die Angst vor Einsamkeit oder das Verlangen nach Sex werden satirisch flott aufgemischt und mit visuellem Einfallsreichtum inszeniert. Beim Scheitern dieser Helden ist der Zuschauer prompt mittendrin, statt nur dabei. Die wortwitzigen Dialoge („Du bist bipolar! Nein, ich weiß: Laktoseintolerant!“) fallen dabei so gelungen aus wie die Situationskomik. Vom beweglichen Sex-Cartoon auf der Teenager-Innenhand über die Gefahren von Staubsauger-Robotern für einsame Singles bis zu den Vorzügen von Wurstabschnitten oder einem bemalten Mops, der nur mühsam gereinigt werden muss. Als Sahnehäubchen zum Schluss stimmen alle Akteure vereint beim Abspann den Peter Maffay-Schlager „Du“ an. Der Text fällt freilich etwas egozentrischer aus als im Sommerhit von 1970 - nun heißt es: „Ich bin alles, was ich habe auf der Welt. Ich bin alles, was ich will. Ich allein kann mich verstehen.“. So schließt sich musikalisch der Kreis zum Filmtitel im Versmaß der Nationalhymne.

Deutschland 2017
Regie: Lars Montag
Darsteller: Jan Henrik Stahlberg, Bernhard Schütz, Friederike Kempter, Lilly Wiedemann, Hussein Eliraqui, Aaron Hilmer, Eugen Bauder
119 Minuten

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