Der Wein und der Wind

Familiensaga über drei Geschwister, die sich für oder gegen dem Weiterführen des Erbes ihrer Eltern entscheiden müssen. Wunderbar authentisches Sozialporträt über den Weinanbau zwischen Tradition und Moderne. Ein weiteres Glanzstück französischen Erzählkinos.

Spätsommer im Burgund. Die Weinernte steht bevor. Der dreißigjährige Jean (Pio Marmaï) kehrt nach zehn Jahren der Funkstille auf das idyllische Weingut seiner Familie zurück. Der einstige Globetrotter will sich mit seinem Vater aussöhnen. Doch der ständige Umgang mit der chemischen Keule machte dem bodenständigen Weinbauer im Alter zu schaffen. Im Krankenhaus ringt er mit dem Tod. Jeans Geschwister Juliette (Ana Girardot) und Jérémie (François Civil) versuchten das Gut über die Jahre aufrechtzuerhalten. Jetzt können sie jede Unterstützung gebrauchen. Aber alte Wunden heilen nicht so schnell. Zudem kämpft Jean, der sich in Australien als Winzer ansiedelte, mit Schulden und steckt mitten in einer Beziehungskrise. Er vermisst seinen kleinen Sohn und seine argentinische Frau. Als der Vater stirbt, stehen die drei ungleichen Geschwister vor neuen Herausforderungen. Gemeinsam müssen sie entscheiden, ob die Familientradition weitergeführt werden soll. Falls jeder seine eigenen Wege geht, bedeutet das gleichzeitig das Ende ihres Weinguts. Schon streckt der reiche Schwiegervater seine Fühler aus. Und die 27jährige Juliette muss, um als Gutsherrin anerkannt werden, ihren Erntehelfern gegenüber unfreiwillig Stärke demonstrieren.

Dass Frauen als Winzerinnen oftmals von den ehemaligen Angestellten nicht akzeptiert werden, ist kein Dreh, den der Autorenfilmer Cédric Klapisch sich für seine geradlinige Inszenierung ausdachte. Tatsächlich hörte er von einem derartigen Fall: So kündigten alle Arbeiter eines Weinguts, als die Tochter nach dem Tod ihres Vaters seinen Betrieb übernahm. Der dokumentarische Stil seines einmaligen, französischen Erzählkinos zeigt sich bei den Szenen im Weinberg ebenso wie bei der opulenten Feier nach der Ernte. Nicht umsonst drehte er seinen Film über ein Jahr lang, um über die Monate hinweg alle Stationen der Weinproduktion realistisch festzuhalten. Einen Landstrich im Wandel der Jahreszeiten zu erleben ist dabei ein besonderer Augenschmaus. Unaufdringlich vermittelt sein cineastisches Kleinod Momente fast verloren gegangener Naturverbundenheit. Dazu passt, dass Jean und seine Geschwister sich weigern ihre Weinreben mit Pestiziden nieder zu spritzen. Eine Einstellung reicht aus, um diese Botschaft, völlig unspektakulär in Szene zu setzen: Das Bild des Nachbarbauerns, der auf seinem Traktor mit Gasmaske und Schutzanzug wie ein Außerirdischer anrückt, um die chemische Keule auszufahren.

Frankreich 2017
Regie: Cédric Klapisch
Darsteller: Pio Marmaï, Ana Girardot, François Civil
114 Minuten
ohne Altersbeschränkung

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