Lieber leben

Aus einem angehenden Sportlehrer wird ein Pflegefall, der plötzlich im Rollstuhl sitzt. Tatsächlich entwickelt der Film aus diesem Szenario eine unerwartet humorvolle und einfühlsame Geschichte, die mit ihren grandiosen Nachwuchsdarstellern und treibenden Hip-Hop-Beats für modernes französisches Kino steht.

Von einem Moment auf den nächsten ist nichts mehr wie es einmal war. Was sich nach einer Phrase anhört, wird für Ben (Pablo Pauly) zur bitteren Realität. Ein Unfall macht aus einem sportlichen jungen Mann mit vielen Zukunftsplänen und Wünschen eine hilflose Person, die plötzlich komplett auf andere angewiesen ist. Als er wieder das Bewusstsein erlangt, ist Ben vom Hals abwärts gelähmt. Aus seinem Krankenbett nimmt er in diesem Moment seine Umwelt nur schemenhaft wahr. Dann werden die Schläuche und Maschinen entfernt und er schließlich nach vielen Wochen in eine Reha-Klinik verlegt. Dort beginnt für ihn ein neues Leben. Bei allem ist er nun auf fremde Hilfe angewiesen. Sogar das aufrechte Sitzen muss Ben neu lernen. Es ist die Voraussetzung, um das Zimmer das erste Mal nach Monaten wieder zu verlassen. Hoffnung machen ihm dabei selbst die kleinsten Fortschritte. Als er schließlich im Rollstuhl sitzt, scheint das Glück für einen kurzen Moment perfekt. Ben lernt in der Klinik auch die bereits reha-erfahrenen Farid (Soufiane Guerrab), Steeve (Franck Falise) und Toussaint (Moussa Mansaly) kennen, mit denen er den oftmals eintönigen Alltag fortan zusammen meistert...

Die ersten Einstellungen von „Lieber lernen“ erinnern sehr an Julian Schnabels „Schmetterling und Taucherglocke“. Der Zuschauer erlebt zunächst alles aus Bens Blickwinkel. Die Geräusche und Stimmen sind dumpf, die Gesichter verschwommen. Anders als bei Schnabel lösen die beiden Regisseure diese streng subjektive Perspektive aber nach wenigen Minuten auf. Mit dem Wechsel in das Reha-Zentrum beginnt dann ein weitaus konventionellerer, oft jedoch nicht weniger einfühlsam erzählter Film. Obwohl der deutsche Titel „Lieber leben“ doch deutlich vom schlichten französischen Original „Patients“ abweicht, so drückt er sehr genau die durchaus positive, lebensbejahende Grundstimmung des Films aus. Vor allem diese andere Herangehensweise an ein ansonsten meist viel zu schwer aufbereitetes Thema zeichnet das Regiedebüt der beiden Freunde Idir und Marsaud/Grand Corps Malade aus. Dass beide Regisseure mit Hip Hop aufgewachsen und bis heute der Musik eng verbunden sind, verleiht ihrem Filmdebüt einen ganz eigenen Rhythmus. Man könnte auch von Beat sprechen. Schließlich übersetzen sie Bens Herzschlag in eine wunderbar leichte, emotional packende filmische Reise.

Frankreich 2016
Regie: Grand Corps Malade, Mehdi Idir
Drehbuch: Grand Corps Malade, Fadette Drouard nach dem Roman von Grand Corps Malade
Darsteller: Pablo Pauly, Soufiane Guerrab, Nailia Harzoune, Franck Falise, Moussa Mansaly, Alban Ivanov
111 Minuten
ab 6 Jahren

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