Das Leuchten der Erinnerung



Ein altes Ehepaar geht auf die letzte Reise: die beiden rebellieren mit ihrem Ausbruchsversuch gegen Bevormundung und Pflegeheim. Klassisches Roadmovie, das sich meist jugendlicher Sehnsucht nach Freiheit, Identität und selbstbestimmten Leben widmet

Ella Spencer (Helen Mirren) macht sich nichts vor. Die Ärzte haben bei ihr einen Tumor entdeckt. Doch die energische Achtzigjährige gibt nicht auf. Noch ein letztes Mal möchte sie mit ihrem Mann John (Donald Sutherland) dem tristen Alltag entkommen und dem Alter ein Schnippchen schlagen. Vor allem, da John, ein ehemaliger Literaturprofessor, mehr und mehr sein Gedächtnis verliert. Inständig hofft sie, dass ihn eine Reise nach Key West zum Geburtshaus von Hemingway, seines Lieblingsautors, wieder etwas in die Realität zurückbringt. Heimlich packt sie das klapprige Wohnmobil aus alten Tagen. Ihre erwachsenen Kinder Will (Christian McKay) und Jane (Janel Moloney) dürfen nichts davon wissen. Sie wären entsetzt. Auf dem Highway erklingen aus dem Autoradio die Melodien der 1970er Jahre und wenn die beiden aus vollem Hals „Me and Bobby Mc Ghee“ anstimmen, scheint ihr Ausbruchsversuch gelungen. Doch immer wieder muss Ella erleben, wie weit sich John, trotz aller Liebe, von ihr entfernt hat...

Die beiden Schauspiellegenden Helen Mirren und Donald Sutherland erweisen sich bei diesem Roadmovie der besonderen Art als absoluter Glücksgriff. Ihr Ehepaar meistert den Trip in absoluter Würde. Humorvoll, schmerzhaft, ergreifend, tragisch und berührend zeigen sie, dass Alter nichts für Feiglinge ist. Dass die gesellschaftlichen Verhältnisse ihnen scheinbar keinen anderen Ausweg aufzeigen, sollte nachdenklich stimmen. Mit unnachahmlicher Schlagfertigkeit und emotionaler Tiefe überzeugt vor allem die brillante britische Oscarpreisträgerin bei diesem bittersüßen Drama. Bereits mit seinem großartigen Psychatrie-Film „Die Überglücklichen“ widmet sich der italienische Regisseur Paolo Virzi voller Klarheit denjenigen, die sich gegen den Verlust ihrer Autonomie aufbäumen. Damals schickte er sein Frauenduo auf tragikomische Eskapaden durch die Toskana. Nun verlagert der 53jährige seine Fluchtfantasie ins Land der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten. Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Michael Zadoorian wagt er sich an seinen ersten englischsprachigen Film. Stimmig fängt sein versierter Kameramann Luca Bigazzi dabei Bilder ein, ohne touristische Klischees zu präsentieren. Dass natürlich der Palmenstrand in Key West einfach himmlisch ist, daran lässt sich freilich nichts ändern. Sich hier auf seine eigene Art von der Welt zu verabschieden ist sicher nicht die schlechteste Idee.

Italien, USA 2017
Regie: Paolo Virzi
Drehbuch: Francesco Piccolo, Paolo Virzì, Stephen Amidon, Francesca Archibugi
Darsteller: Donald Sutherland, Helen Mirren, Janel Moloney, Joshua Mikel, Kirsty Mitchell
113 Minuten

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