The Florida Project



Um die Ecke von Disney World lebt die kleine Moonee mit ihrer Mutter Halley in einem heruntergekommenen Motel. Betörend realistisches Independent-Drama, das ein ziemlich raffinierter Kommentar zur Lage der USA und dazu noch witzig und berührend ist. Toll!

White Trash ist die Bezeichnung für die arme, weiße Unterschicht vor allem im Süden der USA, die ursprünglich von schwarzen Sklaven verwendet wurde, um Menschen zu benennen, denen es noch schlechter ging als ihnen. Sean Baker siedelt seinen Film – nach dem Erfolg von „Tangerine L.A." – in diesem Milieu an, wieder also eine Geschichte über Minderheiten. Statt der einigermaßen schrillen Transgender-Szene in Hollywood und Los Angeles steht hier das wahre Leben jenseits der Märchenwelt von Disney World in und um Orlando/Florida im Vordergrund, kaum weniger schräg, mit leichter Hand inszeniert und deshalb umso bewegender. Diesmal erzählt Sean Baker aus Sicht eines Kindes: Moonee ist eine echte Straßengöre, so kess wie einfallsreich. Den letzten Sommer, bevor es in die Schule geht, verbringt sie, wie immer, meist unbeaufsichtigt, sie stromert mit ihren Freunden durch die Gegend, bettelt sich Geld fürs Eis zusammen, und ihre legendären Streiche in der Motelanlage rufen häufig den Motelmanager Bobby (Willem Dafoe) auf den Plan. Bobby ist so etwas wie der Fels in der Brandung, nicht nur im Motel, sondern auch in Halleys und Moonees Leben...

Gut gelaunt und unbefangen lebt nicht nur Moonee in ihrer farbenfrohen, chaotischen Welt. Auch Halley ist alles andere als das klassische Müttermodell. Sie wissen es nicht, aber für beide geht es ums Überleben in einer Welt, die keine Verlierer duldet. Das Konzept des Versagens ist in der US-Gesellschaft nicht vorgesehen. Eine soziale Absicherung für junge Mütter gibt es nicht, nicht einmal Kindergeld. Wer hier nichts wird, so heißt es, sei selber schuld und habe es nicht besser verdient. Das Paradies liegt gleich nebenan, ist aber unerreichbar. So wie Halley im quietschbunten „Magic Castle“ haust, so geht es vielen anderen, die einen Teil ihrer verbliebenen Würde daraus beziehen, dass sie sich die 38 Dollar pro Woche für ein schäbiges Motelzimmer leisten können. Und das ist eben auch die amerikanische Wirklichkeit – genauso wie das zauberhafte Feuerwerk allabendlich in Disney World. Sean Baker verzichtet auf Erklärungen und Anklagen, sein Sozialdrama ist raffinierter und dadurch umso effizienter. Schon rein visuell ist der Film dank der Bildgestaltung von Alexis Zabe ein echtes Erlebnis: tolle Großaufnahmen von stiller Schönheit oder verblüffendem Witz für Landschaft oder Architektur und gleichzeitig reportagemäßig dicht an den Personen.


USA 2017
Regie: Sean Baker
Drehbuch: Sean Baker, Chris Bergoch
Darsteller: Willem Dafoe, Brooklynn Prince, Valeria Cotto, Bria Vinaite
Laufzeit: 115 Minuten
ab 12 Jahren

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