Der Hauptmann



Ein junger Gefreiter der Wehrmacht legt in der Endphase des Zweiten Weltkriegs eine Offiziersuniform an und zieht fortan als „Henker von Emsland“ marodierend umher. Die wahre Geschichte des Kriegsverbrechers Willi Herold, gefilmt in Schwarzweiß und mit einigen inszenatorischen Spitzen, die die beunruhigende Wirkung des Films verstärken.

April 1945: Der Zweite Weltkrieg liegt in den letzten Zügen und etliche versprengte Wehrmachtssoldaten marschieren durch das zerfallende Dritte Reich. In dieser Phase entkommt der 19-jährige Gefreite Willi Herold (Max Hubacher) nur knapp einigen ranghöheren Offizieren, die ihn durchs Unterholz jagen. Der Grund für die Hetzjagd bleibt offen, zu vermuten ist aber, dass der junge Soldat desertieren wollte. Ohne seine Truppe streift Herold durch das kalte Emsland, bis er auf der Rückbank eines abgestellten Autos eine Hauptmannsuniform der Luftwaffe findet. Kaum hat der Junge die Uniform übergestreift, trifft er den ebenfalls von seiner Einheit getrennten Gefreiten Freytag (Milan Peschel), der Herold sofort für einen Hauptmann hält und seine Befehle ausführt. Rasch schart Herold ein Dutzend versprengter Kameraden um sich und gründet die „Kampftruppe Herold“. Angeblich direkt vom Führer beauftragt, statuiert Herold ein blutiges Exempel in einem Gefangenenlager.

Die Ausgangslage erinnert nicht nur des Titels wegen an den „Hauptmann von Köpenick“. Doch der Film von Robert Schwentke ist keineswegs eine beschwingte Köpenickiade, sondern ein abgründiger Kriegsverbrecherfilm über sadistischen Machtmissbrauch und menschliche Abgründe. Willi Herold nutzt die durch die Offiziersuniform gewonnene Autorität nämlich keineswegs für harmlose Schelmenstreiche. Stattdessen entwickelt er sich zum Sadisten, der willkürliche Erschießungen und ein Massaker im Strafgefangenenlager Emsland II befiehlt. Dass dies alles auf einer wahren Kriegsbegebenheit beruht, macht das Geschehen umso unangenehmer. Die beunruhigende Gewaltspirale inszenieren Schwentke und sein Kameramann Florian Ballhaus (filmte zuletzt „Mädelstrip“) in kontrastreichem Schwarzweiß. Das Musikdesign kombiniert unheilschwangere Industrial-Sounds mit Schlagern aus der Zeit des Dritten Reichs. Auffällig sind einige extravagante Zeitlupen (etwa bei einem soldatischen Gelage in einem Casino), die den Irrsinn des Gezeigten und des Kriegs im Allgemeinen unterstreichen. Einen Gegenwartsbezug stellt Schwentke beim Abspann her, wenn Herold und seine Männer reale deutsche Passanten schikanieren. Die satirischen Elemente gemahnen daran, dass die im Film gezeigten Auswüchse des Nationalsozialismus keinesfalls nur Schnee von gestern sind. So gelingt mit „Der Hauptmann“ ein herausfordernder und provokanter Antikriegsfilm, der als widerspenstiger Geschichtsfilm und biestiger Gegenwartskommentar funktioniert.



Deutschland, Frankreich, Polen 2017
Regie & Drehbuch: Robert Schwentke
Darsteller/innen: Max Hubacher, Frederick Lau, Alexander Fehling, Milan Peschel, Waldemar Kobus, Samuel Finzi, Wolfram Koch, Bernd Hölscher
119 Minuten
ab 16 Jahren

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