Leto - Rock, Love & Perestroika

„Leto“ bedeutet Sommer und an einem lauen Sommerabend am Strand der baltischen See, begegnen sich auch die drei Hauptfiguren von Kiril Serebrennikovs Film, die bald ein musikalisches und emotionales Dreieck bilden werden, dass die Leningrader Musikszene der 80er Jahre prägte. Die Frau zwischen zwei Männern ist Natacha (Irina Starshenbaum), die mit dem älteren Mike (Roman Bilyk) zusammen ist, einem schon etablierten und auch schon etwas desillusioniertem Musiker. In dem einen Club Leningrads, in dem der Staat Rockmusik erlaubt, ist Mike der Mittelpunkt. Der dritte im Bunde ist Viktor Tsoi (Teo Yoo), der an diesem Sommertag noch ein Unbekannter ist, ein blasser Typ, der am Strand die Nähe der etablierten Musiker sucht. Mit seinem asiatischen Aussehen sticht Viktor ohnehin schon heraus, doch was ihn bald zum Star der Szene machen wird, ist seine Musik, seine Texte, die die Stimmung einer Generation einfangen. Niemand kann sein Talent übersehen, auch Mike nicht, der so sehr an Freiheit und Selbstbestimmung glaubt, dass er es auch akzeptiert, als Natacha eine Affäre mit Viktor beginnt.

Aus dieser Ausgangssituation könnten viele Geschichten entstehen, doch Serebrennikov will keine von ihnen erzählen. Zwei Stunden taucht er in die Welt Leningrads der 80er Jahre ein, evoziert Stimmungen und Emotionen und deutet gerade dadurch an, dass er die Bedeutung dieser Ära nicht in Worte fasst, was sie auch heute noch bedeutet. Gerade für einen offenen Regime-Kritiker wie Serebrennikov, der gegen Ende der Dreharbeiten zu „Leto“ wegen angeblicher Unterschlagung von Geldern unter Hausarrest gestellt wurde, ist dieser Blick in die Vergangenheit ein Spiegel der Gegenwart. „Leto“ ist also weniger narrativer Film, als Zustandsbeschreibung, weniger Geschichte, als Emotion, der sich manchmal vielleicht ein wenig in seiner Welt verliert, aber trotz seiner zwei Stunden Länge ein mitreißendes, emotionales Porträt einer Szene ist, die zwar auf diese spezielle Weise nur im Leningrad der 80er Jahre existierte, in ihrer Universalität aber weit über sie hinausweißt.

Russland 2018
Regie: Kiril Serebrennikov
Darsteller: Teo Yoo, Irina Starshenbaum, Roma Zver, Anton Adasinsky
129 Minuten
ab 12 Jahren

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