Capernaum – Stadt der Hoffnung


Ein Junge klagt seine Eltern an, weil sie ihn in die Welt gesetzt haben. Zwischen erschütterndem Sozialrealismus und marktschreierischer Ausbeutung von Elend angesiedelter Film, der sich auf radikale Weise mit dem Problem der Überbevölkerung beschäftigt

Zain (Zain Al Rafeea) ist vielleicht zwölf Jahre alt, so genau kann man das nicht sagen, denn er sieht zwar deutlich jünger aus, agiert aber viel erwachsener und so gar nicht wie das Kind, das er eigentlich noch ist. Kein Wunder, hat er sein Leben doch auf den Straßen von Beirut verbracht, schon früh gelernt, sich alleine durchzuschlagen, zu leben, zu überleben. Als eines von viel zu vielen Kindern seiner Eltern (Kawthar Al Haddad und Fadi Kamel Youssef) musste er mitansehen, wie seine noch jüngere Schwester Sahar (Cedra Izam) verkauft wurde: Für den Preis von ein paar Hühnern, vor allem aber, da so ein Maul weniger zu stopfen war. Da hatte Zain genug und haute ab, schlug sich allein durch, bis er in der äthiopischen Putzfrau Rahil (Yordanos Shiferaw) endlich einmal eine freundliche Seele kennenlernte. Doch auch Rahil verschwand eines Tages und so kümmerte sich Zain um Rahils kleinen Sohn Yonas (Boluwatife Treasure Bankole), der jedoch bald die Gier von Menschenhändlern erregte.

All dies wird in langen Rückblenden erzählt, in denen Zain vor Gericht von seinem Schicksal erzählt. Im Knast ist er ohnehin, denn er hat einen Mann erstochen, doch nun ist er selbst Ankläger: Er verklagt seine Eltern dafür, dass sie ihn geboren und dadurch zu einem Leben im Elend verurteilt haben. Subtil ist Nadine Labakis dritter Spielfilm „Capernaum“ in keinem Moment, aber das will ihre wütende Anklage auch gar nicht sein, und vielleicht kann man sich mit so einem Thema auch nicht differenziert und zurückhaltend auseinandersetzen. Wie Zain sein Leben meistert, sich in der harten Welt des Slums zurechtfindet, überlebt, bald auch den kleinen Yonas betreut, ist enorm intensiv geschildert, mit einer Kamera auf Augenhöhe der Kinder gefilmt, als quasi dokumentarische Beschreibung eines Lebens am untersten Ende der sozialen Leiter. Wuchtiges, emotionales, manchmal auch emotionalisierendes Kino ist Nadine Labakis „Caparnaum“, das vieles tut, aber gewiss nicht kalt lässt.

Libanon 2018
Regie: Nadine Labaki
Buch: Nadine Labaki, Jihad Hojeily, Michelle Kesrouani, Georges Khabbaz, Khaled Mouzanar
Darsteller: Zain Al Rafeea, Yordanos Shiferaw, Boluwatife Treasure Bankole, Kawthar Al Haddad, Fadi Kamel Youssef, Cedra Izam
121 Minuten
ab 12 Jahren

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