Ausgeflogen

Als ihre jüngste Tochter zum Studieren ins Ausland möchte, beginnt die Mutter damit, sie mit dem Handy zu filmen, um so Erinnerungen zu konservieren. Bittersüßer Film, in dem sich Eltern bei vielen Szenen wiedererkennen werden.

Héloïse (Sandrine Kiberlain) hat drei Kinder. Zwei sind bereits von zuhause ausgezogen, das dritte schickt sich an, denn Tochter Jade (Thaïs Alessandrin) muss nur noch ein gutes Abi hinlegen, dann geht es zum Studieren nach Kanada. Héloïse muss sich mit dem Gedanken erst noch anfreunden. Allein zu sein, sich nicht mehr um jeden kümmern zu müssen. Die letzten Tage werden darum um so kostbarer und sie versucht, die Erinnerungen mit Handy-Videos zu konservieren. Aber letzten Endes ist das der Weg, den alle Familien gehen. Irgendwann verlassen die Kinder das Haus, aber das ist für die Eltern auch eine Chance, wieder mehr für sich selbst zu leben.

Für die Hauptrolle dachte Lisa Azuelos sofort an Sandrine Kiberlain, die innerhalb von zwei Tagen, nachdem sie das Drehbuch gelesen hatte, auch zusagte. Ihr gefiel wohl das, was die Filme von Azuelos schon immer ausgemacht hat: Dass sie mit einer entwaffnenden Offenheit und Ehrlichkeit erzählt. Sie greift dabei auf ihre eigenen Gefühlswelten zu, ist sich aber zurecht sicher, dass diese eine Allgemeingültigkeit haben. Menschen fühlen, wie sie fühlen – da unterscheidet sich kaum einer vom anderen. Eben darum funktionieren Azuelos‘ Filme aber auch so gut, weil sie in vielen Zuschauern Emotionen schüren. Das gestaltet Azuelos hier mit sicherer Hand. Sehr schön sind die gegenwärtigen Momente, die immer wieder mit denen von vor zwölf Jahren abwechseln, als die Kinder noch klein waren. Das illustriert die Erinnerungen der Hauptfigur, die ihrer erwachsenen Tochter dabei zusieht, wie sie die Rinde vom Brot abschneidet und sich erinnert, wie sie selbst das für Jade getan hat, als diese noch klein war. Letztlich sind es auch diese Momente, die „Ausgeflogen“ zu einem guten Film werden lassen. Alles in allem ein schöner, unaufgeregter Film über einen Lebensabschnitt, in dem manches endet, aber anderes beginnt. Beim Schlussbild darf man dann auch ruhig gerührt sein, schließt sich hier doch der Kreis für Héloïse und Jade – die eine fühlt sich jetzt klein, die andere ist großgeworden.

Frankreich 2019
Regie & Drehbuch: Lisa Azuelos
Darsteller: Sandrine Kiberlain, Thaïs Alessandrin, Victor Belmondo
87 Minuten
ab 6 Jahren

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