Die Unbeugsamen

Die spannende und bewegende Chronik westdeutscher Politik von 1950 bis zur Wiedervereinigung ist ein Dokumentarfilm, wie er hellsichtiger und aktueller nicht sein könnte. Obwohl die Geschichte der Frauen in der Bonner Republik ein historisches Zeitdokument ist, wirft dieser unbedingt sehenswerte Rückblick in Zeiten von MeToo um Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt ein Schlaglicht auf das immer wieder zurückgedrängte Thema Emanzipation und Feminismus.

Bonn 1961. Die Republik schien manchen noch gemütlich. Politiker machten Fehler, sie hatten Geliebte, doch darüber wurde gemunkelt, nicht berichtet. Für die Frauen war Bonn weniger gemütlich. Denn die Bonner Bundesrepublik ist eine absolute Männerbastion. Selbst in seinem vierten Kabinett, zwölf Jahre nach Gründung der Bundesrepublik, will Kanzler Konrad Adenauer keine Frau sehen. Und das obwohl die Berufung überfällig ist. Aber zustande kommt sie nur unter Druck. CDU-Frauen belagern mit einer Sitzblockade den Kabinettsaal. Sie drohen solange zu bleiben bis ihre Forderung erfüllt wird. Da alle vorgesehenen Ressorts bereits vergeben waren, schaffen die Koalitionäre schnell ein neues: Die Frankfurter Juristin Elisabeth Schwarzhaupt wird die erste Chefin eines Gesundheitsministeriums. Unmittelbar nach ihrer Ernennung sagt Schwarzhaupt in einem Fernsehinterview statt mit „Frau Minister“ finde sie es logischer mit „Frau Ministerin“ angesprochen zu werden. „In diesem Kreis sind auch Sie ein Herr!“ wies Adenauer freilich, die erste deutsche Ministerin zurecht.
Auch Jahre später wirkt das Bonner Bundesdorf wie ein Treibhaus für Chauvinismus und sexuelle Übergriffe. Den ganz normalen Sexismus im Parlament zeigen die Archivaufnahmen von der ersten Rede der Grünen Abgeordneten Waldtraud Schoppe. Mit ihr bricht sie ein Tabu und zahlt dafür einen hohen Preis. Als sie die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe fordert und das Ende des „alltäglichen Sexismus hier im Parlament“, gleicht der Bundestag einem Tollhaus. Der grölende, feixende Männermob rastet aus. Johlen, Schenkelklopfen und Zwischenrufe wie „Hexe, so was hätte man früher verbrannt“, „Du willst es doch nur besorgt bekommen“ ertönen. Erst 1997 wird Vergewaltigung in der Ehe ein Straftatbestand.

Regisseur Torsten Körner arbeitet ohne eine belehrende und erläuternde Stimme aus dem Off. Dramaturgisch eingängig aufeinander aufgebaut funktioniert seine exzellente Montage des Bild- und Archivmaterials trotzdem.

Quelle: Luitgard Koch / programmkino.de

Dokumentarfilm
Deutschland 2020
Regie: Torsten Körner
104 Minuten
ohne Altersbeschränkung

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Trailer DIE UNBEUGSAMEN