Borga

Bemerkenswertes Debüt, das weit über den eigenen Tellerrand hinausblickt und das große Thema Migration auf vielschichtige, ambivalente Weise behandelt. Mit vier Auszeichnungen war das Drama der große Gewinner des diesjährigen Max Ophüls-Festivals

In Sodom beginnt „Borga“, in Accra, der Hauptstadt des westafrikanischen Staates Ghana, wo am Strand, im berüchtigten Viertel Agbogbloshie auf einer riesigen Deponie Elektronikschrott aus Europa verarbeitet wird. Hier wachsen Kojo (Eugene Boateng) und Kofi (Jude Arnold Kurankyi) auf, zwei Brüder, die unterschiedliche Wege gehen werden. Beide wollen sich aus der Armut befreien, der eine bleibt zu Hause, den anderen zieht es nach Europa, zum gelobten Kontinent, wo die Straßen mit Gold gepflastert sind. Doch der Wohlstand ist oft nur vorgetäuscht, Fotos vor Autos und Häusern gefälscht, um die harsche Realität zu verbergen. So ergeht es auch Kojo. Bald ist er ein gemachter Mann, relativ. Regelmäßig fährt er in die Heimat, schluckt Drogenpäckchen, die er in Deutschland mühselig wieder ausspeit. Ein Leben voller Täuschungen führt Kojo, der in Mannheim die Notfallsanitäterin Lina (Christina Paul) kennengelernt hat, ihr jedoch seine wahre Identität verschweigt. Unweigerlich kommen die Lügen jedoch an die Oberfläche und drohen alles zu zerstören, was Kojo am Herzen liegt.

Zwei Kurzfilme drehte York-Fabian Raabe vor seinem Debüt schon in Ghana, auf eigene Faust, denn der Quereinsteiger durchlief nicht die üblichen Bahnen des deutschen Filmsystems. Vielleicht agiert er deswegen so unbeschwert, erzählt in seinem Debütfilm nicht eine der typischen deutschen Geschichten, sondern wirft einen ungewöhnlichen Blick auf einen Aspekt der deutschen Realität, der meist von Vorurteilen geprägt ist. Und das nicht nur von einer Seite: Verdammt die eine Seite Migranten oft als Kriminelle und Vergewaltiger, verklärt die andere Seite sie oft als durch und durch gute, fast schon naive Wesen. Die Wahrheit liegt meist irgendwo zwischen diesen Extremen und wird von „Borga“ ausgeleuchtet. Die Ambivalenz, mit der York-Fabian Raabe seine Hauptfigur zeichnet, macht ihn und seinen Film angreifbar für Kritik von beiden Seiten. Doch genau der Mut zu diesem differenzierten Blick auf ein allgegenwärtiges Thema ist die größte Qualität von „Borga“, der anderen eine Stimme gibt und zwar eine vielstimmige.

Quelle: programmkino.de / Michael Meyns

Deutschland, Ghana 2020
Regie: York-Fabian Raabe
Darsteller: Eugene Boateng, Christiane Paul, Jude Arnold Kurankyi

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