Mitgefühl – Pflege neu denken



Der dänische Dokumentarfilm von Louise Detlefsen ist das Porträt eines Ausnahmefalls für das Pflegethema. Er zeigt, dass Menschlichkeit und gleiche Augenhöhe tatsächlich möglich sind.

Bevor Vibeke und Thorkild eintreffen, kommt erst einmal ein großer Möbelwagen. Hier, im dänischen Dagmarsminde, bezieht das alte Apotheker-Ehepaar sein neues Zuhause. Bei Vibeke wurde Alzheimer diagnostiziert, sie kann nicht mehr sprechen und nicht richtig essen. Ihren Mann Thorkild macht das manchmal wütend. Er erträgt es nicht, seine einst vergötterte Frau so zu sehen. Ihre Krankheit verdrängt er, und in ein Pflegeheim will er schon gar nicht. Die Kinder haben ihren betagten und hilflosen Eltern gesagt, das hier sei eine Reha. Es gehe darum, dass Vibeke wieder laufen lerne. Auch das Team des kleinen privaten Pflegeheims beschließt, Thorkild zu schonen, ohne ihn anzulügen. Warum ihr die menschliche Wärme, das In-den-Arm-Nehmen und Über-die-Schulter-Streicheln, so wichtig sind, erklärt Heim-Gründerin May Bjerre Eiby einer französischen Besuchergruppe auf sehr persönliche Weise. Eibys Pflegekonzept heißt „Mitgefühl und Umsorgung“. Abstrakte Worte, die Louise Detlefsens einfühlsame filmische Beobachtung mit Leben füllt.

Ein wenig geht der Film mit dem Zuschauer so um wie die Pflegerinnen mit ihren Schützlingen. Er scheint das Publikum zu streicheln, lyrische Naturbilder unterbrechen das Geschehen, ähnlich dem gemeinsamen Singen als Ruhepol im Alltag dieser betreuten Wohngemeinschaft. Die sanft geführte Handkamera von Per Fredrik Skiöld mischt sich unauffällig ins Geschehen. Die Botschaft des Films liegt in den Bildern. Sie wird nicht ausgesprochen und ist doch jedem Betrachter klar: Eine menschliche Pflege, auch von schwer Demenzkranken, ist möglich. Auch wenn es nicht einfach sein mag, sich implizit mit der letzten Phase des eigenen Lebens zu beschäftigen – hier wird es dem Zuschauer so zärtlich und behutsam nahegebracht, wie die Pflegerinnen von Dagmarsminde mit ihren Schützlingen umgehen.

Dokumentarfilm
Deutschland 2021
Regie: Louise Detlefsen
96 Minuten

Bild

Spielzeiten: