Die Unschuld

Drei Mal werden die selben Ereignisse gezeigt, allerdings aus unterschiedlichen Perspektiven, bis sich am Ende die Wahrheit offenbart. Hirokazu Kore-eda variiert die humanistischen Themen, für die er bekannt ist.

Ein Haus brennt, mitten in der japanischen Kleinstadt, in der sich die Ereignisse von „Die Unschuld“ abspielen. Ein Stripclub befand sich in dem Haus, den der Lehrer Hori (Eita Nagayama) offenbar regelmäßig besuchte. Allein das lässt ihn verdächtig erscheinen, zumindest in den Augen von Saori (Sakura Ando), eine alleinerziehende Mutter, die sich über das zunehmend rätselhafte Verhalten ihres Sohnes Minato (Soya Kurokawa) wundert. Mal schneidet der sich seine Haare ab, mal kommt er mit nur einem Schuh nach Hause. In der Schule jedoch findet Saori keine Antworten, die Direktorin Fushimi (Yuko Tanaka) weicht den besorgten Fragen der Mutter aus und Hori deutet an, das Minato seinen Mitschüler Yori (Hinata Hiragi) schlecht behandelt.

Viele Fährten werden in diesem ersten Teil gelegt, Andeutungen gemacht, Verdächtigungen ausgesprochen. Doch dann geht es an den Anfang zurück, zum brennenden Haus, doch diesmal bleibt die Erzählung beim Lehrer Hori, werden die Ereignisse aus seiner Perspektive geschildert. Und plötzlich wirkt manches ganz anders, die Verletzung an Minatos Ohr, ein Streit im Klassenzimmer, ein Sturz auf der Treppe. Doch erst wenn im dritten Teil aus der Perspektive von Minato erzählt wird, offenbart sich die Wahrheit. Die Struktur, die die selben Ereignisse aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, erinnert an Akira Kurosawas Klassiker „Rashomon“, allerdings mit einem fundamentalen Unterschied: Während sich in Kurosawas Film die unterschiedlichen Versionen eines Ereignisses widersprachen und sich am Ende somit keine klare Wahrheit herauskristallisierte, besteht am Ende von Kore-edas „Die Unschuld“ kein Zweifel daran, dass die dritte Version die Wahrheit darstellt. Um diesen Effekt zu erreichen muss Kore-eda zuvor immer wieder manipulieren, falsche Fährten legen, den Zuschauer ebenso wie die erwachsenen Figuren täuschen. Wie leicht das geht, wie leicht man sich angesichts kleiner, missverständlicher Indizien, aber auch der gesellschaftlichen Konventionen, eine bestimmte Wahrheit zurechtlegt, darum geht es in „Die Unschuld.“

Quelle: programmkino.de / Michael Meyns

Japan 2023
Regie: Hirokazu Kore-eda
Darsteller: Ando Sakura, Tanaka Yuko, Nagayama Eita
126 Minuten
ab 12 Jahren

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