Anrührende Lovestory einer verwitweten Lady auf Flirtsuche. Sowie die überaus raffinierte Kritik am menschenverachtenden Mullah-Regime. Zudem Situationskomik vom Feinsten. Eine der bewegendsten Komödien des Jahres!
Erzählt wird die ungewöhnliche Lovestory einer 70jährigen Witwe, die ganz plötzlich wieder die Lust auf das Leben und die Liebe entdeckt. Tochter und Enkel leben längst im Ausland, nur selten gibt es Telefongespräche. Die Kaffeekränzchen mit Freundinnen werden häufig von bedrückenden Krankheitsgeschichten dominiert, eine der Damen will gar das Video ihrer Darmspiegelung vorführen. Davon hat die Heldin nun genug. Resolut nimmt Oma Mahin (umwerfend grandios: Lily Farhadpour) die Dinge in die Hand. Kaum entdeckt sie im Rentner-Café einen Taxifahrer als idealen Kandidaten, geht sie in die Flirt-Offensive. Tatsächlich erwidert der Fremde ihre Avancen. Das Senioren-Paar im Single-Status verbringt einen Abend voller Zärtlichkeit und Leidenschaft, bis das Schicksal einen jähen Strich durch die Idylle macht.
Mit großem Einfallsreichtum schlägt die Handlung vergnügliche Haken und bietet Überraschungen der unterhaltsamen Art. Mit viel Empathie samt reichlich plausibler Psychologie sind die Figuren ausgestattet. Mit diesem frisch verliebten Seniorenpärchen lacht und leidet man unbedingt gerne mit. Für Situationskomik ist gleichfalls gesorgt. Von heimlichen gekauften blauen Pillen über eine allzu neugierige Nachbarin bis zum gemeinsamen Duschen der etwas anderen Art reicht die gelungene Pointen-Parade.Ganz nebenbei übt diese humanistische Komödie rigorose Kritik an den täglichen Schikanen der iranischen Staatsmacht. Frauen, deren Kopftuch nicht sitzt, werden von der Sittenpolizei ruppig abgeführt. Mutig stellt sich die Heldin dazwischen, kann eines der verunsicherten Mädchen sogar aus den Fängen der Häscher retten. Ähnlich mutig erweist sich das iranische Regie-Duo Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha, die mit ihrem Film einiges an Sanktionen riskieren. Als Vorgeschmack wurde vom Mullah-Regime bereits die Ausreise zur Berlinale verboten. Den Triumph des Humanismus bei einem internationalen Publikum werden Betonköpfe eines mittelalterlichen Regimes freilich auf Dauer nicht aufhalten.
Quelle: programmkino.de / Dieter Oßwald
Land: Iran, Frankreich, Schweden, Deutschland 2024
Regie: Maryam Moghaddam
Darsteller: Lili Farhadpour, Esmaeel Mehrabi
Laufzeit: 97 Minuten
FSK: 12