Voraussichtlich ab Donnerstag 22.5.
Oslo Stories: Sehnsucht
 Im Original ganz einfach „Sex“ betitelt, kreisen die Gespräche der Figuren einmal mehr um Beziehungen, Geschlechterrollen und auch die Sehnsucht nach einem erfüllten (Liebes)-leben.
Wenn Männer unter sich sind, dann reden sie am liebsten über Sex heißt es gerne. Doch was sich die beiden Freunde, die auch Kollegen in ihrem Job als Schornsteinfeger sind, sich erzählen, entspricht so gar nicht der Vorstellung von heterosexueller Sexualität. Minutenlang bleibt die Kamera zunächst auf dem Abteilungsleiter, der seinem Kollegen von einem wiederkehrenden Traum erzählt, in der ihm jemand einen besonders verführerischen Blick zuwirft, durch den er sich erstaunlich feminin fühlt. Nach einer Weile schwenkt die Kamera zum Kollegen, der nun seinerseits erzählt, nicht von einem Traum, sondern von einer realen Begegnung, von einem sexuellen Abenteuer. Allerdings nicht mit einer Frau, wie das Klischee vermuten ließe, sondern mit einem Mann...
Ähnlich wie in den beiden anderen Filme der „Oslo Trilogie“ zeigt sich auch in „Sehnsucht“ deutlich, dass Dag Johan Haugerud ein Literat ist, der in Worten denkt und keine Angst vor auffällig konstruierten Figurenkonstellationen hat. Mit größter Selbstverständlichkeit zeigt er seine zwei Kleinfamilien, die auf ihre Weisen die Norm repräsentieren – und unterläuft sie postwendend. Betonter als in den beiden anderen Filmen steht diesmal auch Oslo im Mittelpunkt, allerdings nicht die prestigeträchtige Architektur im Herzen der Stadt, sondern die Außenbezirke, mit ihren adretten, modernen Appartement-Blocks. Aus dem Blick von oben sieht man die Gebäude, so wie die beiden Schornsteinfeger die Stadt während der Arbeit betrachten, ein endloses Häusermeer, in dem jedoch nur scheinbar auch einheitliche Familien leben. Welche Vielfalt an Konstellationen, an Wünschen und Begehren es gibt, darum geht es auch in „Oslo Stories: Sehnsucht“, einen von drei Teilen einer ambitionierten Trilogie von Filmen, die nur lose nebeneinanderstehen. Nicht durch Figuren sind die Filme verbunden, sondern in viel loserer, freierer Form. Spielarten des Zwischenmenschlichen verhandelt Dag Johan Haugerud in seiner bemerkenswerten Trilogie, die es wert ist, am Stück oder zumindest an einem Wochenende gesehen zu werden.
Quelle: programmkino.de / Michael Meyns
Norwegen 2024
Regie & Buch: Dag Johan Haugerud
Darsteller: Jan Gunnar Roise, Thorbjorn Harr, Siri Forberg, Birgitte Larsen, Hadrian Jenum Skaaland, Theo Dahl, Anne Marie Ottersen.
Länge: 118 Minuten
 |